Interview mit Dr. Heidrun Leonhardt

Dr. Heidrun Leonhardt wurde für ihre Dissertation über das Verhalten österreichischer Landwirte und Landwirtinnen in Bezug auf Bodenschutz im Ackerland ausgezeichnet. In ihrer Arbeit ging Leonhardt auf die Frage ein, ob Landwirte mit gepachtetem Ackerboden anders als mit Boden in ihrem Eigentum umgehen und welche Umstände der Pacht zu einem unterschiedlichen Umgang beitragen oder ihm entgegenwirken könnten.

Was hat Sie bewogen, das (Eigentums-​)Verhältnis von Landwirten und Landwirtinnen bezüglich ihrer Ackerböden zu untersuchen?

In meiner vorrangig auf den Umgang mit Ackerland konzentrierten Forschung zum Umweltverhalten von Landwirten und Landwirtinnen in Österreich liegt ein besonderer Fokus auf den Eigentumsverhältnissen, wobei es insbesondere um die Pacht geht. Der größte Teil meiner Dissertation untersucht, ob auf gepachteten Flächen weniger Bodenschutzmaßnahmen vorgenommen werden als auf eigenen Flächen. Das Thema entspricht meinem Interesse an menschlichem Verhalten in Bezug auf Umweltthemen.
Die Frage lag nahe, ob die stetige Zunahme von Pachtanteilen negative Umweltauswirkungen haben könnte. Das Eigentumsverhältnis ändert gewissermaßen die Beziehung, die man zu einer Fläche hat, und gleichzeitig auch den ökonomischen Planungshorizont. Das war dann die Hypothese, die sich aus Theorie und Literatur aus anderen Ländern ergab, und die auch für Österreich große Relevanz hat. Außerdem werden landwirtschaftliche Flächen zunehmend von landwirtschaftsfernen Personen als Investition gekauft, was in anderen europäischen Ländern sehr relevant, zum Teil aber auch in Österreich von Bedeutung ist.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit?

Es gibt eine Korrelation zwischen Pacht und Anbau „intensiver“ bzw. erosionsgefährdeter Kulturen wie Mais, aber auch Kartoffeln und Rüben. Diese Korrelation basiert darauf, dass Betriebe, die mehr pachten, auch mehr solcher Kulturen anbauen. Die Korrelation basiert aber nicht darauf, dass einzelne Betriebe einen Unterschied zwischen Pacht- und
Eigenflächen machen würden. Wenn nur jeweils Flächen von einzelnen Betrieben verglichen werden, ist kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Pacht- und Eigenflächen zu erkennen. Hier gilt aber auch: Je größer der Betrieb und je mehr Tierhaltung, desto mehr ist auch ein einzelbetrieblicher Effekt zu sehen, also intensivere Kulturen auf Pachtflächen als auf Eigentumsflächen. Das Gegenteil gilt für Bio-Betriebe. In der Befragung von über 300 buchführenden Ackerbaubetrieben lassen sich aber keine Unterschiede in der Anwendung von Bodenschutzmaßnahmen auf „typischen“ Pacht- und Eigentumsflächen erkennen.

Diese Erkenntnisse bedeuten aber nicht zwingend, dass ein „Pachteffekt“ im Umgang mit dem Boden nicht existiert, denn es gibt einige Faktoren, die einen etwaigen Zusammenhang zwischen Eigentumsverhältnis und Bodenschutz beeinflussen: die Ausgestaltung des Pachtverhältnisses wie z. B. Pachtdauer, (empfundene) Sicherheit der Pacht, Pachtpreis oder vertragliche Vereinbarungen zum Bodenschutz, weiters Rolle und Eigenschaften des Verpächters, landwirtschaftliches Wissen, gesetzliche und anderweitige vertragliche Rahmenbedingungen.

Viele dieser Faktoren sind in Österreich (noch) derart, dass Pachtflächen weitgehend ähnlich wie eigene Flächen bewirtschaftet werden. Doch da sich die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden ändern und immer mehr Personen Flächen besitzen, die keinen landwirtschaftlichen Hintergrund, aber eventuelle Renditeerwartungen haben, ist unklar, ob sich Pachtbeziehungen nicht in eine – aus Bodenschutzsicht – ungünstigere Richtung entwickeln werden.

Welche Relevanz haben die Ergebnisse für ein Rohstoffe verarbeitendes Unternehmen wie AGRANA?

Der Erhalt fruchtbarer Böden ist nicht nur aus Umwelt- oder Nachhaltigkeitssicht relevant, sondern selbstverständlich auch für jeden Einzelbetrieb, alle an der Lebensmittelwertschöpfungskette Beteiligten und für die Gesellschaft insgesamt. Gerade bei Kulturen wie Zuckerrüben, Mais und (Stärke-)Kartoffeln ist der Schutz vor Erosion essenziell. Aber auch überall sonst ist der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit oder der Humusaufbau ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Insofern ist für alle genannten Gruppen ein grundlegendes Verständnis der Mechanismen und Treiber von (nicht-)nachhaltigem Umgang mit Böden wesentlich, da sie auch eine gewisse Verantwortung gegenzusteuern tragen, wenn sich die Gegebenheiten ändern. Meine Arbeit zeigt für den Einflussfaktor „Besitzverhältnisse“, dass steigende Pachtanteile für den Fortbestand von bodenschonender Bewirtschaftung nicht notwendigerweise negativ sind – allerdings abhängig davon, wie die genaueren Umstände der Pacht sind. Je unpersönlicher Pachtbeziehungen und je kurzfristiger oder unsicherer Pachtverträge ausgestaltet sind, desto eher ist zu erwarten, dass die betroffenen Flächen wenig bodenschonend bearbeitet werden.

Solchen Entwicklungen muss gegengesteuert werden, beispielsweise indem Pachtverhältnisse so geregelt werden, dass sie Planungssicherheit bieten (unter anderem durch Musterpachtverträge, gesetzliche Regelungen und dergleichen) oder indem durch andere Rahmenbedingungen eine bodenschonende Bewirtschaftung gefördert wird. Beispiele dafür wären Bodenschutzmaßnahmen oder Förderungen für bestimmte Bewirtschaftungsmethoden wie Zwischenfruchtanbau, Mulchsaatverfahren oder Humusaufbauprogramme. Wenn Veränderungen – beispielsweise der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden – einen in die Zukunft gerichteten Umgang mit landwirtschaftlichem Grund und Boden nicht mehr garantieren, liegt die Verantwortung bei allen Betroffenen, gezielte Maßnahmen zum Bodenschutz einzusetzen, um auch künftig noch fruchtbaren Boden nutzen zu können.

Heidrun Leonhardt – zur Person

Geboren und aufgewachsen in Graz. Bachelorstudium Umwelt- und Bioressourenmanagement an der Universität für Bodenkultur. Masterstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien. Rückkehr an die BOKU, dort Doktoratsstelle am Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Seither dort in der Arbeitsgruppe „Agrar/Umwelt“ tätig, mittlerweile als Postdoc-Mitarbeiterin.